Der in Montevideo lebende LUIS DI MATTEO gehört zu den letzten großen südamerikanischen Bandoneon-Virtuosen seiner Generation. Unter ihnen ist er derjenige, der die Bandoneonmusik am weitesten in Richtung E-Musik, insbesondere in Richtung Kammermusik entwickelt hat. Sein musikalisches Lebenswerk zeigt von Anfang an eine beeindruckende Eigenständigkeit, die einerseits in seinen Kompositionen Ausdruck findet, aber auch bei seinen Auftritten deutlich wird.

Luis Di Matteo wurde am 10. Mai 1934 als Sohn italienischer Einwanderer in Montevideo, der Hauptstadt von Uruguay, geboren. Er wuchs in einer Tangoatmosphäre auf. Am Rio de la Plata, die breiteste Flussmündung der Erde, war das Alltagsleben vom Tango durchdrungen. Orchester wie die von Francisco Canaro, Anibal Troilo, Lucio Demare und Juan D’ Arienzo bestimmten die Radioprogramme der damaligen Zeit. Montevideo ist auch heute noch ganz und gar eine Stadt des Tangos; deshalb verwundert es nicht, daß La Cumparsita, die Hymne des Tangos, hier komponiert wurde.
1971 produzierte er in Montevideo mit Triobesetzung seine erste LP: Estudio Para Tres – mit Darwin Viscuso (Piano) und Osvaldo Nole (Kontrabass).

Im folgenden Jahr wurde er vom Fernsehen unter Vertrag genommen, als Leiter eines großen Orchesters (Bandoneon, Flöte, Oboe, Vibraphon, vier Violinen, Viola, Cello, Kontrabass und drei Sängern) und trat regelmäßig im uruguayischen Fernsehen auf.

Auf seiner zweite LP Tangos En Blue Jeans (1975), taucht zum ersten Mal ein elektrischer Bass auf.

Die dritte LP Procesco erschien 1976. In Buenos Aires wurde sie unter den Titel: De Villoldo a Piazolla(Von Villoldo bis Piazzolla) veröffentlicht. Bei einigen Stücken spielt er selbst Querflöte.

Seine vierte LP Monologando (1979)nimmt er zusammen mit seinem Quartett auf. Sein Konzept des Tango Nuevo kommt auf seiner 1981 erschienenen fünften LP Rumbo al Cenit mit Miguel Garibaldi (Piano), Pocho Macadar (E-Baß) und Jose Schmid (Schlagzeug) zur vollen Entfaltung.

1982 feierte er sein 25jähriges Jubiläum als Berufsmusiker. Das Konzert bei dem viele befreundete Musiker (u. a. Cesar Zagnoli) mitwirkten, wurde von Javier Bonilla organisiert, der auch seine sechste und letzte für eine uruguayische Plattenfirma aufgenommene LP produzierte: Latitud 55 (1983); Besetzung: Miguel Garibaldi, Piano, Alberto Salzedo, Oboe, Jose Schmid, Schlagzeug und Jorge Lopretti, E-Baß.

Luis Di Matteos deutsch-uruguayischer Freund German Prentki, damals Cello Student an der Musikhochschule Detmold, bemühte sich um eine Konzerttournee in Deutschland. Im März/April 1983 war es dann soweit. Die Tournee hatte 18 Konzertdaten und wurde von einem Quintett, bestehend aus Detmolder Musikstudenten, begleitet.

Im Juni kam es zu einem Kontakt mit Ulrich Balß (JARO) der bis zum heutigen Tag sein Repräsentant und Plattenproduzent ist. Im selben Monat wurde seine erste in Deutschland aufgenommene LP produziert, Tango Contemporaneo (mit Quintett).

Eine sehr erfolgreiche Tournee mit dem Quintett (36 Konzerte) im März/April 1984 führte durch Deutschland, Österreich und Skandinavien. Eine weitere folgte 1985 mit einem Quartett: Adriana Pedemonte (Piano), R. Schmidt (E-Baß), Jesus Hernandez (Oboe).

1985 nahm er das Album: Le Dernier Tango mit Günther Herzfeld (Piano), Fritz Kriss (E-Bass) und Yoshiko Hirai (Oboe) auf. Im Oktober des gleichen Jahres wurde er von Joachim-Ernst Berendt in die WORLD MUSIC BAND zu den Donaueschinger Musiktagen eingeladen; die anderen Mitspieler waren u. a. Dom Um Romao (Brasilien) – Perkussion, David Friesen (USA) – Bass, Lennard Åberg (Schweden) – Saxophon, Rudy Smith (Trinidad) – steel drum, Andrew Cyrille (USA) – Schlagzeug.

Für den argentinisch/schwedischen Spielfilm: “Los Dueos del Silencio” (1987), Regie: Carlos Lemos, komponierte und spielte er die gesamte Filmmusik in Buenos Aires ein.

1986 begann er Konzerte allein mit seinem Bandoneon zu geben. Als einer der wenigen Bandoneonistas hat er sich über die Jahre eine außergewöhnliche Meisterschaft angeeignet, dieses oft als sperrig titulierte Instrument klingen zu lassen “wie ein ganzes Orchester”. Das erste Ergebnis dieser Konzentration auf das Wesentlich war die Solo Bandoneon Platte: Por Dentro De Mi (1988).

1990 hat sein Produzent Ulrich Balß es ihm ermöglicht mit einem Streichorchester zusammenzuarbeiten. Dieses Zusammenspiel wurde mit dem Uljanowsk Chamber Orchestra (Leitung: Nikolai Alexejew) an der Wolga realisiert. Dort entstanden auch die Aufnahmen für die CD Del Nuevo Ciclo. Später folgte eine Tournee mit dem Orchester durch Deutschland.

Auf ausgedehnten Tourneen 1990-1992 in Europa etablierte er sich als brillanter Bandoneon-Solist. Im folgenden Jahr lud ihn die in Paris lebende argentinische Tangosängerin Silvana Deluigi ein, mit ihr im Duo zusammenzuarbeiten. Sie erarbeiteten ein Repertoire, mit dem sie Konzerte in ganz Europa gaben. Es bestand aus klassischen Tangos und Bandoneon-Solos von Luis Di Matteo. In Paris nahmen sie 1995 gemeinsam die CD Tangos (Wergo) auf.

Luis Di Matteos nächstes Projekt mit Streichern erfolgt mit einem Quintett aus Solisten der Symphonie SODRE in Montevideo. Seine Suiten für Bandoneon und Streichquintett wurden von ihnen 1995 in Montevideo aufgenommen; die CD heißt Escribo Para Los Angeles.

Für den auch an diesen Aufnahmen beteiligten Kontrabass-Solisten Carlos Weiske komponierte er im selben Jahr ein Konzert für Kontrabass und Streichorchester “Concierto para contrabajo y orquesta de cuerdas”, das am 21.08.1995 im Konzertsaal Vaz Ferreira in Montevideo uraufgeführt wurde.

Zunehmend interessieren sich andere Musiker für Luis Di Matteos Kompositionen, die seit kurzem auch in dem renommierten Notenverlag TONOS (Darmstadt) verlegt werden. So schrieb er u. a. schon 1989 eine in Montevideo uraufgeführte Komposition für Flöte, Kontrabass und Streicher, oder 1997 für den Hornisten Radovan Vladkovic eine Auftragskomposition, “Pieza concertante para bandoneon, trompa y cuerdas” (Konzert für Bandoneon, Horn und Streicher).

Neben seiner kompositorischen Tätigkeit verfolgte er weiterhin seine Arbeit als Bandoneon-Solist. Nach 10 Jahren erschien im Herbst 1998 seine zweite Solo-CD, Un Dia De Mi Vida, die in Montevideo aufgenommen wurde. Als Bonus-Track wurde eine Komposition für Streichquintett ohne Bandoneon aufgenommen, “Quinteto para cuerdas Nr. 2” (Streichquintett Nr. 2), ein live Mitschnitt des SDR in Stuttgart.

1999 betritt Luis Di Matteo wieder musikalisches Neuland. Er macht den uruguayischen Candombé zur Basis seiner neuen Produktion. Mit der Unterstützung seines Labels hat er innerhalb von wenigen Monaten alle Kompositionen für eine komplette CD erarbeitet. Bei den Studio-Aufnahmen zu dieser CD hat er die Original Candombé-Trommeln in sein Konzept integriert, mit ihren typischen polyrhythmischen Sounds, wie sie heute nur noch auf den Strassen von Montevideo zu hören sind. Dieser afro-uruguaysche Rhythmus und Tanz stand am Ende des 19. Jahrhunderts Pate bei der Geburt des Tangos am Rio de la Plata. Ein anderer Kunstgriff bei diesem Projekt ist der Einsatz eines Saxophon-Quartetts, das die Dynamik des Candombé unterstützt. Die Besetzung für die in Montevideo aufgenommene und im Jahr 2000 erschienene CD “Candombé uruguayo” besteht aus: Saxophon-Quartett: Carlos Sastre (Soprano) , Santiago Gutierrez (Alto), Eddy Porchile & Pedro Bergara (Tenor), Jorge Binger (Bariton); Nelson Lopez, Javier Lopez, Marcelo Lopez (Candombé-Trommel Trio), Jose Luis Perez (Drums) und Federico Righi (E-Bass). “Als ich begann, mich mit diesem Projekt zu beschäftigen, hatte ich noch kein Konzept für eine Verbindung von Tango und Candombé im Kopf. Der Tango hat mich seit meiner Kindheit begleitet, ja man kann sagen, genährt und geformt. Meine musikalische Identität habe ich von ihm. Vor zwanzig Jahren änderte sich meine enge Verbindung zum Tango, zumindest was Komposition und Konzertperformance angeht. Auch wenn mir oft das Etikett Tango Nuevo angeheftet wird, bin ich definitiv kein tanguero – ich bin in erster Linie Komponist”.

Auch im Jahr 1999 entsteht in Valencia und Buenos Aires ein Projekt mit der Musik von Luis Di Matteo. Der argentinisch-spanische Dichter Claudio Serra Blum hat seine Gedichte mit der Musik von Luis Di Matteo vertont und auf einer CD herausgebracht: “La memoria del espejo”.

Festivals

Im Jahr 2000 folgen weitere Tourneen durch Europa, unter anderem wird er nach Finnland eingeladen, um mit finnischen Streichern seine kammermusikalischen Kompositionen vorzustellen. Zwischendurch wird immer wieder in Montevideo an der Live-Performance des”Candombé Project” gearbeitet und am 29.9.2001 ist es dann soweit. Beim “Montevideo Jazz Festival 2001” nach langer Abstinenz vom uruguayischen Publikum findet die sehr erfolgreiche Live Premiere statt. 2002 sind Spanien und Lateinamerika zu Gast beim “Schleswig-Holstein Musik Festival” in Deutschland. Luis Di Matteo bekommt den Auftrag Kompositionen hierfür zu schreiben und am 17.7.2002 stellt er diese zusammen mit dem Streicherquintett: “The G-Strings” vor. Sowohl er als auch das 1993 gegründete Streicherquintett haben sich zur Aufgabe gemacht, die starren musikalischen Grenzen zu überwinden, zwischen E- und U-Musik hin und her zu wandern und täuschend echt mit klanglichen Illusionen zu spielen. Das Ergebnis: Sowohl Jazzer als auch Klassik-Fans sind fasziniert und die beiden Konzerte werden ein voller Erfolg. Im Oktober nimmt er zum zweiten Mal an den “Music Meeting Nijmegen Festival” in den Niederlanden teil, wo er sich am 02.10.2002 mit dem “Camdombé Project” vorstellt.

Krefeld am Rhein Auch zum “5. Bandoneon Festival Krefeld 2002” wird er mit dem Candombé-Project eingeladen und stellt es am 23.10.2002 in der Fabrik Heeder vor. Diese Stadt am linken Niederrhein ist die Geburtsstätte des Bandoneons. Hier hat 1845 Heinrich Band das nach ihm benannte Instrument erfunden. Heute noch werden alle Bandoneons des Tango in der sogenannten “Rheinischen Tonlage” gespielt. Immer wieder führt der Weg von Luis Di Matteo in diese Stadt am Rhein, wo die Geschichte des Bandoneons begann. Hier hat er in den letzten 20 Jahren alle seine verschiedenen Projekte vorgestellt. Bereits beim “1. Bandoneon Festival Krefeld 1985 ” spielte er ein legendäres Solo-Konzert im seit den 50er Jahren bestehenden “Jazz-Keller” (Lohstrasse) von Krefeld. Zu den Feierlichkeiten zum ersten Tag der deutschen Einheit, am 03.10.1990, bestritt er das offizielle Konzert der Stadt Krefeld im Seidenweberhaus mit dem russischen Uljanowsk Chamber Orchestra. In Uljanowsk (zufälligerweise Partnerstadt von Krefeld) am Ufer der Wolga, hatte er bereits eine CD mit seinen Kompositionen und dem Uljanowsk Chamber Orchestra aufgenommen.

Tango und viel mehr Wie immer auf der Suche nach neuen Klangfarben beginnt er 2003 zusammen mit seinem Produzenten Ulrich Balss einen Gedanken weiter zu entwickeln, der bereits vor längerer Zeit bei der Arbeit für seine ersten Spielfilmmusik “Los Dueños del Silencio” entstanden war. Im Studio in Buenos Aires hatte er damals zu den eingespielten konventionellen Instrumenten elektronische Sounds, die menschliche Stimmen nachahmten, integriert. Was damals begann wird jetzt mit einen Gesamtkonzept weitergeführt, aber diesmal ist die menschliche Stimme durch eine “echte” weibliche Sopran-Stimme vertreten und wird wie ein weiteres Instrument der Gruppe eingesetzt. Die elektronischen Sounds werden von einem Synthesizer- und Keyboardspieler eingespielt und die zusätzlichen konventionellen Instrumente sind ein Cello, eine Querflöte und ein Schlagzeug. Ende 2003 – Anfang 2004 geht er mit folgenden Musikern in Montevideo ins Studio, um die CD “Tango y mas allá” aufzunehmen: Fernando Goicoechea (Synthesizer & Keyboards), Anabela Varela (Sopran Stimme), Florencia Romero (Querflöte), Juan Rodriguez & David Pintos (Cello), Gonzalo De Freitas (Schlagzeug und Percussion).

2004 feiert Luis Di Matteo seinen 70. Geburtstag und aus diesen Anlass erscheint seine neue Studio-Produktion “Tango y mas allá” als Jubiläumsbox mit 2 CDs und ausführlichen Booklets. Eine CD enthält seine neue Produktion und die andere ist eine Retrospektive seines kompositorischen Werkes von 1976-2000, mit charakteristischen Beispielen aus seinem Repertoire.
Luis Di Matteos Vitalität, Kreativität und südamerikanische Spielfreude, die seine Musik und Konzerte prägen, lassen noch einiges für die Zukunft erwarten.

“Luis Di Matteo zählt neben Piazzola und Saluzzi zum Dreigestirn der großen Tango-Interpreten der Welt” Badische Zeitung

“Matteos Kompositionen sind geprägt von Originalität und Virtuosität, von einem enormen Feingefühl für Nuancen in Rhythmus und Dynamik, …. dass man nur noch begeistert staunen kann…Ein Ausnahmekonzert.” Münchner Merkur

“Man ist schnell gepackt vom Temperament und der Virtuosität dieser Musik.” Die Zeit

“Seine Kompositionen sind kaum vorhersehbar, bleiben spannend bis zur wohligen harmonischen Auflösung…In diesem beeindruckend schwerelosen Kosmos ist der Tango Nuevo nur eine Facette zwischen Tradition, Klassik und Moderne. Luis Di Matteos selbstverständliche, individuelle Fusion eröffnet neue Horizonte.” FAZ

“[…] quetscht Melodien aus seinem Instrument, die so hingebungsvoll und einschmeichelnd daherkommen, wie die besten Tangos. Jede Klangschattierung wird penibel ausgeleuchtet. Dynamik und Kontraste sorgen für Expressivität. Wehmutig ächzt sein Bandoneon, um sich wenig später vor Leidenschaft und Temperament aufzubäumen.” Die Zeitliteratur

“[…] Die fast 30-jährige Werkschau von Retrospectivo zeigt, warum di Matteo gut daran getan hat, ein erstklassiger Matteo zu bleiben statt ein zweitklassiger Piazolla zu werden, dessen uruguayisches Pendant er gewissermaßen bildet. Einer der letzten Großen seines Instruments, […]” Jazzthetik